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Mein Kind denkt und fühlt zu viel

München/AK. Sie fühlen sich oft allein und unverstanden, werden häufig gehänselt, als anstrengend, störend, sehr empfindlich und hochsensibel sowie als frühreif empfunden. Oftmals brauchen sie wenig Schlaf, bewegen sich viel oder bleiben stundenlang in einer Ecke sitzen, haben „immer wieder überraschende Blockaden und plötzliche, nicht nachvollziehbare Wutanfälle“. Sie fordern von ihrem Umfeld viel Aufmerksamkeit ein. Für jeden Sachverhalt möchten sie eine Erklärung: Kinder, die von der „Welt der Norm-Denker“ abweichen, wie es die französische Psychotherapeutin und Autorin Christel Petitcollin in ihrem neuen Buch „Mein Kind denkt und fühlt zu viel" beschreibt. Von Psychologen, Ärzten und Pädagogen wird ihr Verhalten oftmals problematisiert und in verschiedene Schubladen wie „Autismus“, „Hochbegabung“ „ADHS“ (Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit oder ohne Hyperaktivität) oder „Dyslexie" (mangelnde Fähigkeit, Wörter oder zusammenhängende Texte zu lesen, zu verstehen oder zu schreiben) eingeordnet. Das sei kontraproduktiv, weiß die Psychotherapeutin aus eigener Erfahrung.

 

Krankes Schubladendenken

 

Bekannt von ihrem Buch „Ich denke zu viel“ (2017) und den vielen positiven Rückmeldungen hat sich die Autorin entschlossen, ein Buch speziell für Eltern und Pädagogen zu schreiben, die oftmals mit der Andersartigkeit ihrer Kinder bzw. Schüler überfordert sind. Da die Kinder anders denken und fühlen, wird ihr Anderssein oftmals als „krank und dysfunktional abgestempelt“.
Christel Petitcollin bezeichnet die Kinder als „mental hocheffizient mit einem mäandernden Gehirn und einer ausgeprägten Wahrheitsliebe“ und beschreibt genau, wie es zu diesem kranken Schubladendenken gekommen ist. Mit diesen „Diagnosen“ müsse „mit Bedacht“ umgegangen werden. Das Denken der Kinder sei eher „komplex“, da die Gedanken wie in „einem mentalen Spinnennetz miteinander verknüpft“ seien. Denn ein neurologisch atypisches Kind sei weder verrückt noch schlecht erzogen, sondern „strukturell hochsensibel, hyperemotional, hyperaffektiv und hyperempathisch“. Seine mentale Reife gehe oft weit über „Frühreife“ hinaus. Hilfreich sei daher eine liebevolle Unterstützung der Eltern, damit die Kinder lernen, sich selbst zu verstehen, wie sie funktionieren und wie ihr Umfeld auf sie reagiert.
Denn ihre Hochsensibilität führe dazu, dass „diese Kinder übermäßig aufmerksam auf alles sind, was draußen vor sich geht". Die eigenen Gefühle, Werte und persönlichen Grenzen beachten sie dagegen zu wenig, sodass sie oft leicht abgelenkt sind, tollpatschig und ungeschickt wirken. Daher sei es wichtig, den Kindern zu helfen, sich selbst besser zu verstehen, ihre Hochsensibilität zu erkennen und darauf einzugehen.

 

Zu viele Eindrücke auf einmal

 

Ein mental hocheffizientes, hochsensibles Kind nehme in der gleichen Zeit viel mehr Informationen wie eine auf es einprasselnde Flut wahr als die sogenannten Norm-Denker: die Stimme des Lehrers, die Lautstärke, den Akzent, den Tonfall (freundlich, verärgert oder bedrohlich), Gesten und Mimik. Die Wörter und den Inhalt des Gesprochenen sowie mögliche Anspielungen müsse es decodieren. Außerdem nehme es mit anderen Sinnen Gerüche aus der Klasse oder das Parfüm des Lehrers wahr. Christel Collin erklärt diese unterschiedliche Wahrnehmung mit einem Bild: Blicke ich durch ein Rohr, sehe ich nur einen kleinen Ausschnitt. Blicke ich aber durch einen Trichter, nehme ich viele Dinge gleichzeitig wahr.
Handelt es sich hierbei wirklich um eine Aufmerksamkeitsstörung? Achten die Kinder nicht eher auf zu viele Parameter?, fragt die Autorin etwas provokant ihre Leser. Denn die Reizüberflutung in der Schule sei für hochsensible Kinder „eine Tortur“, wodurch die Konzentration nachlasse. Auch die gelegentlichen Wutanfälle hingen mit dieser Reizüberflutung zusammen. Sie appelliert daher an die Lehrer, „eine ruhige und lernfördernde Atmosphäre zu schaffen, von der alle Kinder profitieren". Um auf diese Emotionen der Kinder eingehen zu können, sollten Eltern und Lehrer selbst an sich gearbeitet und gelernt haben, mit den eigenen Emotionen beherrscht umzugehen.

 

Klare Anweisungen

 

Diese Kinder brauchen Wohlwollen und klare verbalisierte Anweisungen, wie: „Mach jetzt deine Hausaufgaben" oder „rutsche nicht den Flur entlang". Indirekte Fragen oder drei gleichzeitige Anweisungen können sie nicht entschlüsseln.
In insgesamt 13 Kapiteln beleuchtet die Autorin Themen wie „Hochsensibilität“, „Körperpflege“, „Ernährung", „Schlaf", „latente Hemmung", „Synästhesie", „Hyperemotionalität", „Traurigkeit und Depression", „Angst und Wut", „mäanderndes Denken", die „Angst vor der Leere" sowie „instinktive Spiritualität". Sie geht intensiv auf soziale Regeln und Sozialkompetenzen ein, erzählt aus ihrer eigenen Coaching-Praxis und gibt in den letzten drei Kapiteln Tipps und Tricks für die Schule und wie man Schulphobie und Mobbing begegnen kann.

 

Tipps für Lehrer

 

Lehrer sollten folgende Fragen bei mental hocheffizienten Kindern beachten:

 

  • Wie lässt sich der Lernstoff in „ein großes Ganzes einordnen"?
  • Welchen Überblick kann ich zu Beginn des Schuljahrs geben?
  • Wie kann ich ein sinnvolles Lernen ermöglichen?
  • Wie kann ich auf die Sinnsuche der Kinder eingehen?
  • Wie kann ich die Lernbegierde der Kinder befriedigen?
  • Wie kann ich ihnen intelligent, konsequent und authentisch begegnen?
  • Wie kann ich sein Gehirn auf einem ihm angemessenen Niveau stimulieren?
  • Wie kann ich ihrem assoziativ funktionierenden Gehirn helfen, sich etwas zu merken?
  • Wie reagiere ich auf Schulphobie und Mobbing?
  • Wie kann ich den Eltern einfühlsam und mit Respekt begegnen?

 

Fazit: „Es ist die Schule, die nicht für diese Kinder geeignet ist, es sind nicht die Kinder, die ungeeignet für die Schule sind …"

Christel Petitcollin will mit ihrem Fachbuch Eltern und Lehrern helfen, die Andersartigkeit ihres Kindes bzw. der Schüler anzunehmen, diese besser zu verstehen und die unterschiedlichen Gefühle ernst zu nehmen, sodass diese sich zu einer gesunden und starken Persönlichkeit entwickeln können. Eine ausführliche Bibliografie im Anhang dient zur weiteren Vertiefung des Themas. Hilfreich wäre es, wenn die meist französischen Titel zum besseren Verständnis auch auf Deutsch angegeben würden.

 

Petitcollin, Christel: Mein Kind denkt und fühlt zu viel. Wie geforderte Eltern ihre Kinder bedürfnisorientiert und achtsam begleiten. 286 Seiten, Softcover, mvg Verlag, München 2020. Preis: 16,99 € (D).
ISBN: 978-3-7474-0205-4. Infos: www.m-vg.de

 

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Weitere Literaturhinweise:

 

Ich denke zu viel

Petitcollin, Christel: Ich denke zu viel. Wie wir das Chaos im Kopf bändigen können. 256 Seiten, Softcover, Arkana München 62020. Preis: 16,00 € (D).
ISBN: 978-3-4423-4229-7. Infos: www.randomhouse.de/Verlag/Arkana

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